Ich stehe auf Nordkoreas Seite
Seit der Kolonialzeit halten wir – d.h. „Westen“, heute angeführt von den USA – es für völlig selbstverständlich, uns in anderen Ländern, die grösstenteils völlig anderen Rassen, Kulturen, Werten, Umgangs- und Verhaltensformen haben, einzumischen, um sie zu zwingen, sich unseren Vorstellungen anzupassen und oft gleichzeitig, sich auch noch unseren wirtschaftlichen Interessen zu unterwerfen. Dabei werden sämtliche verfügbaren Mittel eingesetzt: Krieg, Bombenkampagnen, verdeckte Operationen durch Geheimdienste, Aufbau und Unterstützung von Oppositionsparteien, wirtschaftliche Massnahmen, Entwicklungshilfe, Erpressungen, Sanktionen.
Die in der Hand von grossen Konzernen befindlichen westlichen Nachrichtenagen-turen und Medien unterstützen das mit den „richtigen“ Meldungen und Bewer-tungen. So schrieb z.B. die NZZ vor ca. einem Jahr, Opfer russischen Luftangriffe unter der Zivilbevölkerung im Mittleren Osten seien Kriegsverbrechen zum Opfer gefallen, während das Blatt über Opfer von US Luftangriffen neutral oder verständnisvoll berichtet.
Keine westliche Regierung, kein bedeutendes westliches Medium, auch die NZZ nicht, behandelt die USA wegen der langen Serie massiver Einmischungen in souveräne Staaten als Paria, als Aggressor, niemand forderte wirtschaftliche Sanktionen, weil sie z.B. 1999 mit dem Segen der EU Serbien mit 28‘500 Raketen und Bomben überschüttet haben, um Kosovo abzuspalten und ins westliche Lager zu holen.
Vorwand waren serbische Massaker an Kosovaren. Die Kosovaren begangen ebenfalls zahlreiche Massaker an Serben. Aber deren Erwähnung hätte ja die mit dem „Schutz von Menschenleben“ begründete Bombenkampagne verunmöglicht. Man wollte im Kosovo auch „westlichen Werten“, der Demokratie, den Menschen-rechten zum Durchbruch verhelfen und die Korruption bekämpfen. Heute kann jedermann in den Nachrichten hören, wie es dort mit der Demokratie und Korruption steht. Aber der wichtigste Grund für die Abspaltung: Die USA hatten begonnen, dort ihre zweitgrösste Militär-Basis in Europa aufzubauen und fürchte-ten, Serbien würde das nicht akzeptieren. Jetzt kann„Camp Bondsteel“ ungestört betrieben werden (bis zu 7000 Soldaten). Die nur noch theoretisch neutrale Schweiz liefert Truppen für die KFOR, die Besatzungsmacht unter Führung der NATO.
Seit der Abspaltung Kosovos sind hunderttausende von jungen Kosovaren nach Westeuropa geflohen. (Der Verfasser hatte eines Nachts Besuch von dreien, die bereits das Fenster aufgewuchtet hatten. Der erste stand schon auf dem Fensterbrett, als die Polizei kam).
Ganz anders im Fall der Ukraine. Nach dem von hohen US und EU Regierungs-vertretern und mächtigen US Politikern vor Ort in der Ukraine gegen die gewählte Regierung orchestrierten Putsch reagierte Russland. Wie im NATO-Russlandrat 2008 für den Fall der Integration der Ukraine ins westliche Lager angekündigt, spaltete es die Ostukraine ab und annektierte die Krim mit Sewastopol, dem wichtigsten Hafen seiner Flotte. Verständlicherweise konnte es nicht akzeptieren, dass dieser unter die Kontrolle der USA falle. Der Westen hat dann Russland zum Aggressor gestempelt und Sanktionen – also kriegerische Massnahmen - verhängt. Seither wird Russland als Paria behandelt. Kein Wunder schrieb die chinesische Presse zur Ausgrenzung Russlands unter Hinweis auf die massive westliche Aggression gegen Serbien, von „westlicher Heuchelei“.
Die beiden Fälle gehören zu einer endlos langen Perlenkette westlicher Interventionen, meistens der USA. Die Opfer waren sehr oft linke Regierungen, die Massnahmen zugunsten ihrer Völker ergriffen hatten. So z.B. die Regierung des Iran, als sie die in der Hand westlicher Konzerne befindliche Ölindustrie verstaat-lichte. Die des winzigen Inselchens Grenada, das sogar von der Weltbank höchstes Lob erhielt, weil seine Sozialpolitik mit einer verantwortungsvollen Finanzpolitik verbunden war. Es wurde trotzdem von den USA militärisch besetzt – gegen den Protest von Margareth Thatcher, die darauf hinwies, dass die Königin von England Staatsoberhaupt von Grenada sei. Hätte das Land A-Waffen gehabt, hätten es Präsident Reagan wohl kaum besetzen lassen, um die linke Regierung zu stürzen.
Oft begründen die USA ihre Eingriffe mit erfundenen Vorwänden. Jedermann kennt die Geschichte der nicht existierenden Massenvernichtungswaffen des Irak. Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch daran, dass der US Kongress den Krieg gegen Vietnam wegen eines erfundenen Angriffs auf ein US Kriegsschiff in internationalen Gewässern bewilligte. Einige Jahre später wurde bekannt, dass es sich um eine vom US Präsidenten erfundene Geschichte handelte. Der US Kongress widerrief seine Ermächtigung zum Krieg, konnte damit aber die Millionen von Toten nicht ins Leben zurückrufen, die zerstörten Städte und vergifteten Wälder nicht wieder herstellen. Die Besetzung Grenadas durch die USA wurde damit begründet, die Sowjetunion habe dort U-Boot- und Luftwaffenbasen aufgebaut und das Inselchen wolle dem Warschauerpakt beitreten.
Selbstverständlich können die USA vom Sicherheitsrat der UNO nie für diese schwerwiegenden Verletzungen des Völkerrechts verurteilt werden, selbst wenn das die erdrückende Mehrheit der Mitglieder bei der Abstimmung tut, weil sie das jeweils mit ihrem Veto verhindern. (Angesichts der unterwürfigen Haltung des Bundesrates nach aussen erstaunt es nicht, dass sich die rund 8 Millionen Schweizer Entscheiden des Sicherheitsrates unterwerfen müssen, aber 2000 Millionen Menschen nicht, deren Staaten, darunter die USA, Grossbritannien, Frankreich, über das Vetorecht verfügen).
Gaddafi verzichtete unter dem Druck von Sanktionen 2004 auf sein Atomwaffen-programm und sandte vertragsgemäss sämtliche Bestandteile und Materialien in die USA. Hätte das Land seine Atomwaffen bis zur Einsatzreife gebracht, wäre es 2011 wohl kaum vom „Westen“ in die Unterwerfung gebombt und Gaddafi ermordet worden. (Wer bei uns weiss, dass Gaddafi unter dem Schlagwort „Wasser statt Waffen“ das weltweit grösste Projekt zur Versorgung der Bevölkerung des extrem trockenen Landes mit Wasser aufgebaut hatte? Durch mehrere, rund 3800 km (!) lange Rohrleitungen von 4 Metern Durchmesser wurde Wasser aus den gigantischen Grundwasserreserven in der Sahara in die bevölkerungsreichen Küstenregionen gebracht. Durch die westlichen Luftangriffe wurde das System, einschliesslich der Röhrenfabrik, weitgehend zerstört. Der Vorwand lautete: es handle sich eine militärische Versorgungseinrichtung. Es war eine eindeutige Verletzung des Völkerrechts Jetzt leidet die Bevölkerung wieder unter Wasserknappheit).
Die wenigen Beispiele aus vielen erklären, warum Nordkorea am Atomwaffen-programm festhält. Das Land hat sein eigenes, mit unseren Vorstellungen unvereinbares politisches System. Aber das geht uns nichts an. Das ist Sache der Nordkoreaner. Das Regime hat aus der Geschichte gelernt und ist nicht bereit, sich zu unterwerfen und trifft die nötigen Massnahmen, um einen Angriff abzuwehren. Das Land ist ganz sicher keine Bedrohung für andere Länder, solange diese es nicht angreifen, denn der Diktator Kim Jong-uns ist sich wohl sehr bewusst, dass das Land in einem Krieg gegen eine der Atommächte keine Chance hätte, und dass diese auch keinen Angriff Koreas auf nicht-atomare Staaten zulassen würden. Mit anderen Worten, von Nordkorea geht höchsten ein Bedrohung der USA und von deren asiatischen Alliierten aus, sollten die USA das Land angreifen. China wird militärisch gegen die USA vorgehen, sollten diese versuchen – wie sie das bereits mit Russland machen – in Korea bis an die Grenze Chinas vorzustossen, um sich dort militärisch zu etablieren.
Allerdings, die jüngsten Sanktionen, eigentlich kriegerische Massnahmen, die das Land fast von allen seinen Versorgungsquellen abschneidet, die Bevölkerung einer Hungersnot und der Kälte aussetzt, erhöht den Druck auf das Regime, gegen die Mächte, die es derart strangulieren, militärisch vorzugehen.
Zum Schluss kann man auch noch fragen, warum die USA, Russland, China, Indien, Pakistan, Israel über Atomwaffen verfügen und Raketentests durchführen dürfen, aber Nordkorea nicht. Wann endlich lernt der Westen, dass die dauernde Einmischung in die Belange anderer Völker irgendwann zu einem grösseren Krieg führen wird?