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Kampf um mehr oder weniger Steuerwettbewerb
In der Schweiz bezahlen die reichsten 2.3% der Einwohner fast die Hälfte (41%) der Einkommenssteuern.
Diese hohen Steuereinnahmen möchte jeder Kanton und jede Gemeinde für sich haben. Da Kantone und Gemeinden ihre Steuersätze fast vollständig frei festlegen können, versuchen sie daher neben Unternehmen auch diese Superreichen mit besonders günstigen Steuersätzen anzulocken. Dies führt dazu, dass Kantone und Gemeinden sich mit möglichst tiefen Steuersätzen gegenseitig zu unterbieten versuchen.
Dieser Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen und Gemeinden wird politisch stark diskutiert. Die Linken fordern, dass er eingeschränkt oder abgeschafft wird, weil er den Staat aushöhle und zu grosser Ungerechtigkeit führe. Die Rechten hingegen fordern, dass er weiter gestärkt wird, weil er zu mehr Wohlstand und einem effizienteren Staat führe.
Der Text geht auf die Frage ein, was die Vor- und Nachteile des Steuerwettbewerbs sind und von was es schlussendlich abhängt, wie viel Steuerwettbewerb es braucht.
Mögliche Chancen des Steuerwettbewerbs
Der Steuerwettbewerb und damit der Versuch des Staates möglichst tiefe Steuersätze anzubieten, hat für die Schweiz grundsätzlich zwei Arten von Chancen:
- Der Staat arbeitet effizienter, was den Wohlstand der Schweiz steigern kann
- Tiefe Steuersätze können Reiche und Unternehmen aus dem Ausland anziehen, wodurch Schweizer weniger Steuern bezahlen müssen
Die erste Chance „Effizienter Staat“ ergibt sich vor allem daraus, dass die Kantone bzw. Gemeinden durch den Steuerwettbewerb einen Anreiz haben, die Kosten für die Erfüllung ihrer Aufgaben wie z.B. Strassenunterhalt oder Schulen möglichst tief zu halten. Denn wenn ein Kanton oder eine Gemeinde ineffizient arbeitet und hohe Kosten hat, müssen sie auch höhere Steuern verlangen und es würden vermehrt Reiche und Unternehmen wegziehen.
Wenn nun durch den Steuerwettbewerb alle Kantone und Gemeinden dazu gezwungen sind möglichst kostengünstig zu arbeiten, können wir uns mit dem eingesparten Geld andere Dinge leisten, d.h. der allgemeine Wohlstand steigt.
Auch die zweite Chance des Steuerwettbewerbs „Reiche und Unternehmen aus dem Ausland“ kann zu mehr Wohlstand führen.
Durch den Steuerwettbewerb innerhalb der Schweiz hat die Schweiz auch im internationalen Vergleich tiefe Steuersätze. So zeigt z.B. Abbildung 1 einen Vergleich der Steuersätze für Unternehmen. Der Kanton Zug ist innerhalb von Europa einer der günstigsten Standorte, während der Kanton Basel-Stadt zumindest im europäischen Mittelfeld liegt.

Abb.1: Vergleich der Unternehmenssteuersätze im internationalen Vergleich; Quelle: BFS, EATR
Diese tiefen Steuersätze für Unternehmen und Privatpersonen (siehe auch Kasten „Pauschalbesteuerung“) führen dazu, dass Reiche und Unternehmen aus dem Ausland in die Schweiz ziehen und hier Steuern bezahlen.
Für die Einwohner der Schweiz bedeutet dies, dass sie dank diesen zusätzlichen Einnahmen selber weniger bezahlen müssen und sich somit wiederum mehr leisten können.
Vom internationalen Steuerwettbewerb profitieren kleine Länder wie die Schweiz speziell. Denn um Steuerzahler aus dem Ausland anzulocken muss man die Steuern stärker senken als das Ausland und zwar auch für die bisherigen inländischen Steuerzahler (ausser bei den Pauschalsteuern, siehe Kasten). Ein Land (oder Kanton) wird die Steuern daher nur senken, wenn die Steuereinkommen der Zugezogenen höher sind als die Steuerausfälle bei den bisherigen Steuerzahlenden, welche durch die Steuersenkung entstehen. Daher hat die Schweiz als kleines Land einen Vorteil. Ein grosses Land wie Deutschland verliert durch die Steuersenkungen mehr als ein kleines Land wie die Schweiz. Dazu ein einfaches Beispiel: Beide Länder haben anfänglich die gleichen Steuersätze, Deutschland habe ein Steuereinkommen durch Reiche von 1000 und die Schweiz von 100. Wir nehmen an, beide Länder müssten die Steuern für Reiche halbieren um alle ausländischen Reichen zu erhalten. Wenn Deutschland die Steuern halbiert, verliert es 500 (die Hälfte der Steuereinnahmen der Reichen in Deutschland) und gewinnt 50 (die Hälfte der ursprünglichen Steuereinnamen der Schweiz). Wenn die Schweiz die Steuersätze halbiert, verliert sie nur 50 (die Hälfte der Steuereinnahmen der Reichen in der Schweiz), erhält aber 500 (die Hälfte der ursprünglichen Steuereinkommen von Deutschland). Die Schweiz hat als kleines Land daher im Steuerwettbewerb einen Vorteil gegenüber grossen Ländern. Deshalb versucht Deutschland und die EU den Steuerwettbewerb einzuschränken (siehe Kasten „Steuerstreit Schweiz-EU“).
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass der Steuerwettbewerb grundsätzlich eine Chance bietet den Wohlstand der Schweiz zu steigern.
Mögliche Gefahren des Steuerwettbewerbs
Der Steuerwettbewerb bietet jedoch nicht nur Chancen, sondern kann auch die folgenden Gefahren bergen:
- Aushöhlung des Staates durch stetig sinkende Steuereinnahmen
- Weniger Umverteilung von Reich zu Arm
- Ungleiche Bedingungen der Regionen im Kampf um reiche Steuerzahler
Die erste Gefahr der Aushöhlung des Staates ist oft auch unter dem englischen Begriff „Race-to-the-bottom“, also „Wettlauf bis zum Boden“, bekannt. Dies geschieht, wenn jeder Kanton oder jede Gemeinde immer versucht die anderen zu unterbieten und daher immer weniger Steuern eingenommen werden. Das hätte zur Folge, dass der Staat nicht nur versucht Kosten zu sparen, in dem er effizienter arbeitet, sondern auch indem er Leistungen streicht und so immer weniger anbietet.
Es wird allerdings nicht soweit kommen, dass der Staat die Steuern wegen dem Steuerwettbewerb bis auf null senken und keine Leistungen mehr anbieten wird. Denn sowohl die Einwohner als auch die Unternehmen sind daran interessiert, dass der Staat gewisse Aufgaben übernimmt. So erwarten sie vom Kanton bzw. der Gemeinde beispielsweise angemessen unterhaltene Strassen, gute Schulen oder ein möglichst hohes Mass an Sicherheit. Sie werden daher nicht an einen Ort ziehen, wo der Kanton bzw. die Gemeinde dies nicht anbietet. Entscheidend sind also nicht einfach nur die Steuern sondern ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis für die Leistungen der Kantone und Gemeinden. Da sich der Steuerwettbewerb aber primär auf die Reichen konzentriert, besteht allerdings durchaus die Gefahr, dass der Staat Leistungen, welche die Reichen nicht benötigen wie z.B. Sozialleistungen, nicht mehr oder nur noch wenig anbietet. Dadurch kann der Kanton oder die Gemeinde den Reichen einen günstigeren Steuersatz bzw. ein besseres Preis-/Leistungsverhältnis anbieten. Einem solchen Sozialabbau sind aber durch die Mindestvorschriften des Bundes im Bereich des Sozialstaats enge Schranken gesetzt.
Die zweite Gefahr betrifft die Umverteilung von Reich zu Arm. Normalerweise zahlen die Reichen überproportional mehr Steuern als Ärmere (=Steuerprogression). Das heisst, Reiche zahlen z.B. 30% ihres Lohnes an Steuern, während Arme z.B. nur 10% des Lohns bezahlen müssen. Der Wettbewerb um reiche Steuerzahler kann nun dazu führen, dass diese Steuerprogression abnimmt. Das heisst, dass Arme beispielsweise neu 15% und Reiche nur noch 25% Steuern zahlen müssen. Diese Gefahr ist durchaus ernst zu nehmen und kann auch in der Realität beobachtet werden. So ging z.B. der Kanton Obwalden sogar soweit, dass die Reichen einen kleineren Anteil vom Lohn hätten bezahlen müssen als Arme (=Degression). Dies wurde vom Schweizer Bundesgericht jedoch verboten. Maximal erlaubt ist, dass alle denselben Steuersatz bezahlen müssen (entspricht Flat Rate Tax ohne Freibetrag, siehe Kasten), also beispielsweise alle 20%. Generell gilt aber auch hier, dass ein Kanton die Steuern für Reiche nur dann senkt, wenn er erwartet, durch Zuzug von Unternehmen und Reichen mehr einzunehmen als er durch Steuersenkungen bei bestehenden Einwohnern verliert. Daher beschränkt sich das Phänomen hauptsächlich auf kleinere Kantone wie Zug, Schwyz und Obwalden.
Ein weiterer Kritikpunkt am Steuerwettbewerb sind die ungleichen Bedingungen der verschiedenen Kantone im Kampf um die „guten“ Steuerzahler. So hat beispielsweise eine Stadt aufgrund von Zentrumslasten (Spitäler, öffentlicher Verkehr, Theater etc.) oder ein Bergkanton aufgrund der zerstreuten Besiedlung (mehr Strassen etc.) höhere Ausgaben. Solche Kantone oder Städte müssen dann auch höhere Steuersätze erheben. Die Reichen können das umgehen, in dem sie in einem steuergünstigen Nachbarkanton wohnen und die Infrastruktur des Zentrums oder den Erholungswert der Bergregionen nutzen ohne dafür zu zahlen.
Zusammenfassend birgt Steuerwettbewerb also die Gefahren, dass staatliche Leistungen für Ärmere reduziert werden könnten, weniger oder kein Geld mehr von Reich zu Arm umverteilt wird und Zentrumsfunktionen (wie beispielsweise Spitäler, öffentlicher Verkehr, Kulturangebote) nicht mehr finanziert werden können.
Beschränkungen des Steuerwettbewerbs
Um die Gefahren des Steuerwettbewerbs einzuschränken und trotzdem von den Vorteilen profitieren zu können, kennt die Schweiz unter Anderem drei wichtige Einschränkungen:
- Das bereits erwähnte Verbot degressiver Steuersätze
- Den neuen Finanzausgleich NFA
- Das Steuerharmonisierungsgesetz
Der neue Finanzausgleich NFA gleicht zum einen eine ungleiche Finanzkraft und zum anderen ungleiche Lasten (Zentrumslasten und geografisch bedingte) zwischen den Kantonen aus.
Das heisst, ein Kanton, in dem viele reiche Personen wohnen oder der wenige Zentrumslasten hat, muss Steuereinnahmen an ärmere Kantone oder an Kantone mit Zentrumslasten abtreten.
Der finanzstärkste Kanton Zug beispielsweise muss rund 1'800 CHF pro Einwohner an andere Kantone abtreten, während der finanzschwächste Kanton Uri 2'200 CHF pro Einwohner erhält.
Damit wirkt der NFA dem Steuerwettbewerb entgegen. Denn mit jedem Reichen, der in einen Kanton zieht, muss dieser Kanton auch mehr Ausgleichszahlungen an andere leisten. Damit ist es weniger attraktiv möglichst viele Reiche anzulocken.
Als weitere Einschränkungen schreibt das Steuerharmonisierungsgesetz den Kantonen vor, dass jeder Kanton das Einkommen und das Vermögen seiner Einwohner besteuern muss. Dabei muss zudem auch die Bemessungsgrundlage, also welches Einkommen und Vermögen besteuert werden soll, einheitlich sein. D.h., es ist beispielsweise nicht möglich, dass ein Kanton die Zinseinkommen besteuert und ein anderer Kanton nicht.
Fazit
Der Steuerwettbewerb bietet grundsätzlich den Vorteil, dass er den Wohlstand der Schweiz durch Effizienzsteigerungen stärkt. Gleichzeitig hat er jedoch den Nachteil, dass er dazu führt, dass weniger zwischen Reich und Arm umverteilt wird.
Die Schweiz hat verschiedene Einschränkungen erlassen, um einerseits von den Vorteilen zu profitieren und die Nachteile zu mildern.
Wie viel Steuerwettbewerb es braucht, hängt vor allem davon ab, wie wichtig einem mehr Wohlstand im Gegensatz zu mehr Umverteilung ist. Eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Sie hängt einzig von der persönlichen Wertvorstellung jedes Einzelnen ab.
Die Schweizer Bevölkerung wird sehr wahrscheinlich bald wieder die Möglichkeit haben, die Frage, wie viel Steuerwettbewerb es geben soll, in einer Volksabstimmung zu beantworten. Denn derzeit sammelt die SP Unterschriften für eine Initiative, welche den Steuerwettbewerb für Einkommen über 250‘000 Franken abschaffen möchte und einheitlich mit insgesamt (Kanton und Gemeinde, ohne Bundessteuer) mindestens 22% besteuern möchte.
Literaturverzeichnis [ ein-/ausblenden ]
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Weil jeder der Kantone seine Steuersätze selbst bestimmen kann, entsteht zwischen diesen ein starker Wettbewerb um die reichen Personen und Unternehmen, weil diese besonders mobil sind. So will z.B. ein Kanton X mehr steuerkräftige Steuerzahler in seinen Kanton locken und senkt die Steuern (ev. speziell für die Reichen in Form von degressiven Steuersätzen), die anderen Kantone sehen sich dann gezwungen nachzuziehen und ihre Steuern ebenfalls zu senken um ihre finanzstarken Steuerzahler nicht zu verlieren. Erneut wird ein Kanton die Steuern stärker senken, was zu einer Kettenreaktion führt und die Steuern immer stärker sinken werden.
Steuersttreit Schweiz - EU
Die Europäische Union findet schon seit langer Zeit das Schweizer Steuersystem ungerecht. Allen voran fordert sie eine Aufhebung der „Steuergeschenke“ wie Pauschalbesteuerungen (siehe nächster Kasten) und Ähnlichem. Im Weiteren sind Steuerprivilegien für europäische Holdinggesellschaften und Verwaltungsgesellschaften ein Grund der Kritik. Diese bezahlen zwar Steuern in der Schweiz, sind aber im europäischen Ausland tätig. Der Bundesrat ist in Verhandlungen mit der EU, wobei er aber an der erwähnten Politik grösstenteils festhalten möchte.
Degressiver Steuersatz
Ein degressiver Steuersatz ist dann gegeben, wenn mit zunehmendem steuerbarem Einkommen der durchschnittliche Steuersatz der Versteuerung abnimmt.
Beispiel:
Mit einem Einkommen von 100‘000 bezahlt Person A 12% Steuern. Person B hingegen, die 150‘000 verdient, wird nur mit 10% besteuert.
Dies kann sich sowohl auf Einkommens- wie auch auf Vermögenssteuern beziehen, wie es im Kanton Obwalden der Fall war.
Der Kanton Obwalden musste daher sein Steuersystem abändern und hat nun eine Flat Rate Tax eingeführt.
Flat Rate Tax
Bei der Flat Rate Tax oder Einheitssteuer ist der Steuersatz für alle Beteiligten gleich.
Im obigen Beispiel würden also Person A und Person B mit dem gleichen Prozentsatz besteuert.
Beispielsweise hat Obwalden eine Rate von 12% mit Freibetrag von 10000 CHF eingeführt, d.h. jedes Einkommen über 10000 CHF wird mit diesem Satz besteuert, bis zu 10000 CHF ist das Einkommen steuerfrei. Der Kanton St. Gallen kennt eine Flat Rate Tax auf Vermögenssteuern: der einheitliche Satz beträgt 1.9‰.
Pauschelbesteuerung
Für Ausländer, die in der Schweiz wohnhaft sein wollen, aber nicht in der Schweiz arbeiten, bietet sich die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung an. Dabei steht dem Kanton oder der Gemeinde die Kompetenz zu, mit ausländischen Privatpersonen ein Abkommen zu schliessen, bei dem die Steuerleistung in Form einer abgemachten Pauschale erbracht wird. Voraussetzung ist, dass die betreffende Person den Wohnsitz bis zum Zuzug für 10 Jahre im Ausland hatte. Es ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich, ab welcher Mindestpauschale ein solches Abkommen erlaubt ist. So setzt beispielsweise Graubünden bei 80000 Franken an. Die Bemessungsgrundlage für die Pauschale stellt in der Regel der Wert der Schweizer Wohnstätte dar.
Kommentare von Lesern zum Artikel
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